Was mich glücklich macht?
Beim letzten Surfen vor der Therapie ist mir eines klar geworden. Glück ist: Surfen, auf die Welle warten, das Meer beobachten, paddeln, atmen, den Blick auf den Horizont werfen, das Gefühl auf dem Brett Meter weit zu fliegen.
Wie ich zum Surfen kam
Ich habe erst spät mit dem Surfen angefangen. 2014 kam ich bei einem Besuch in San Diego mit 37 Jahren zum ersten Mal auf’s Brett. Danach folgten einige Jahre mit mühseligen Versuchen, überhaupt die erste grüne Welle surfen zu können. Auch wenn ich kein Naturtalent bin, so hat mich dieser Sport einfach nicht losgelassen und mich von Jahr zu Jahr immer wieder weitermachen lassen.
2019 hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, endlich einen größeren Fortschritt beim Surfen gemacht zu haben. Ich war in der Bretagne zwei Wochen alleine surfen und konnte zum ersten Mal im Sommer in Irland mit meinen Freunden vom Bristol Surf Club etwas besser mithalten. Dann zog ich mir leider an Halloween in Croyde beim Surfen in stürmischer See einen Innenbandriss zu und humpelte bis zum Ende des Jahres mit einer Orthese rum und dachte, das wird schon wieder.
Nach zwei Monaten Orthese und zwei weiteren Monaten Physiotherapie war ich im März 2020 gerade wieder hergestellt, da kam der Lockdown und die Grenze nach Dänemark wurde dicht gemacht. Mit einer Freundin wollte ich eigentlich die großen Sommer-Ferien abwarten und dann endlich nach Dänemark fahren. Ich hoffte, dass ich das Surfen bis dahin nicht verlernt hatte und mein Knie wieder mitmachen würde.
Wie alles anders kam
Die ersten Wochen nach der Diagnose waren die Hölle. So lange nicht klar war, ob der Krebs gestreut hatte und ich auf die Ergebnisse der Umgebungsuntersuchungen warten musste, überfielen mich immer wieder Panik Attacken. Auch wenn die Chancen nicht schlecht standen, ein gutes Ergebnis zu bekommen, so liefen meine Gedanken immer wieder davon. Was ist wenn:…
Ich nie wieder surfen kann, weil ich nicht mehr gesund werde?
Ich nie wieder mit meinen Freunden aus Bristol Surfen kann?
Ich meine letzte grüne Welle in Irland gesurft bin?
Das erste, was ich gemacht habe, war mein Schlafzimmer umzugestalten und mein Surfboard aufzuhängen. Wenn ich schon nicht zum Surfen komme, dann wird mein Board ersteinmal ein Deko-Objekt, das mich jeden Morgen beim Aufwachen daran erinnert, dass ich wieder surfen werde. Auch nach den schlimmsten Nächten der letzten Monate zaubert mir das Board jeden Morgen ein Lächeln auf’s Gesicht.
Warum noch einmal Surfen
Wenn mich eines glücklich machen würde, dann wäre es für den Rest meines Lebens einfach nur jeden Tag zu surfen.
Nachdem sich dann herausgestellt hatte, dass der Krebs nicht gestreut hatte und mein Tumor als mittelgradig eingestuft wurde, wurde in Erwägung gezogen, ob ich an der ADAPTcycle Studie hätte teilnehmen können. In dieser Studie wird evaluiert, ob Frauen, die an hormonbasiertem Brustkrebs erkrankt sind und einen mittelgradig differenzierten Tumor haben, alternativ mit Ribociclib behandelt werden können, anstelle eine Chemotherapie zu machen. Um in die Studie aufgenommen zu werden, musste nochmal eine Stanze entnommen und ein Oncotype DX Test gemacht werden. Bis das Testergebnis da war, durfte ich 4 Wochen auf das Ergebnis warten.
Parallel ergab sich die Situation, dass ein Freund nach Dänemark zum Surfen fahren wollte. Ich hab nicht lange gezögert und gefragt, ob ich auch mit fahren kann, um zum einen die Wartezeit zu überbrücken und zum anderen nochmal vor der Therapie auf’s Surfboard zu kommen. Leider waren alle meine Werte zu hoch, so dass nach den 4 Wochen klar war, dass ich wieder aus der Studie fliege und durch eine Chemotherapie behandelt werden muss. 6 Monate später kann ich nur sagen, dass mich diese 4 Tage in Dänermark sehr sehr lange getragen haben und ich letztendlich sehr dankbar dafür war, diese Erfahrung noch mitgenommen zu haben. Dadurch wurde mir noch einmal deutlich klar, ich möchte und werde zurück auf’s Board kommen.
Glück pur
Diese vier Tage in Dänemark haben mich einfach nur unendlich glücklich gemacht. Ich konnte wieder surfen, mein Knie hat wieder mitgemacht und für ein paar Tage konnte ich alles um mich herum vergessen.
Und als ich so auf meinem Surfboard auf die Wellen wartete, kam bei mir die Frage auf, ob es nicht auch Reha Maßnahmen in Deutschland gibt, in der Surfen als Sportart angeboten wird. Meer Leben Surf bietet dieses Angebot als Surf Therapie bei der Rehabilitation von onkologisch erkrankten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an. Für Erwachsene und vor allen Dingen für Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, habe ich bis jetzt kein Angebot gefunden. Daher entstand in Dänemark die erste grobe Idee, eine Reha Maßnahme für Frauen zu entwickeln, die nach einer Brustkrebsdiagnose wieder zurück ins Leben finden wollen. Denn Surfen ist so viel mehr als purer Sport:
Achtsamkeit, Atmen, Mutig sein, Grenzen erkennen und akzeptieren, mit der Natur eins sein, Hoffnung, Bewegung, Selbstvertrauen, Demut, Spass und Freude
In der gleichen Zeiten stolperte ich über ein Interview, das auf der Bristol Surf Club Facebook Seite gepostet wurde. Hier beschreibt Tim Jones, Inhaber der Surf School Sri Lanka, seinen Weg und Herausforderungen mit seiner Krebserkrankung und auch seinen Wunsch wieder zurück auf’s Board zu kommen. Meines Erachtens gibt es dem kaum etwas hinzuzufügen. Außer: