Denk doch mal positiv!
An dieser Aufforderung bin ich fast verzweifelt. Auch wenn 80% aller Brustkrebserkrankungen heilbar sind, wenn sie früh erkannt werden, so fiel mir der Blick auf einen guten Ausgang meiner Erkrankung am Anfang und auch während der Therapie sehr schwer.
Wie begegnet man seinen Ängsten?
Gut gemeinte Ratschläge kamen von allen Seiten. Manche dieser Aussagen haben mich einfach nicht erreicht. Auch Statistiken, in denen ich mich hätte wiederfinden können, brachten mich eher weiter in die Panikzone, als dass sie geholfen hätten. Meine Frauenärztin empfahl mir bis zum Ende der Umgebungsuntersuchungen nicht Mr. Google zu befragen. Zu groß und zu laut war die Stimme der Panik. Eine Freundin, die parallel auch an Brustkrebs erkrankte, bracht es mit dem Begriff „Zombiezone“ auf den Punkt. So sehr ich auch daran glauben wollte, das alles wieder gut werden würde, umso mehr kamen bisher nicht gekannte Stimmen in mir hoch, die einfach alles überlagerten. Ich habe in dieser ersten Zeit sehr viel über mich selber erfahren.
Eigentlich dachte ich immer, ich wäre ein positiv denkender Mensch. Zu erkennen, dass ich mich permanent in einer Krisensituation befand, war einer meiner wichtigsten Erfahrungen in den ersten Wochen der Diagnose. Mit meinen Ängsten könnte ich Bücher füllen. Für den Umgang mit einer durch diese Krankheit ausgelösten persönlichen Panikzone, sollen daher die folgenden Perspektiven einen kleinen Ausblick darstellen. Um letztendlich auch vom „Schwimmen“ wieder in ein selbstbestimmtes „Surfen“ zu kommen.
Emotional Guidance Scale
Ein Bild, das mir sehr geholfen hat, war die Eindornung der eigenen Gefühle in die Emotional Guidance Scale von Abraham-Hicks. Ein Freund hatte mir dieses Bild zugeschickt, um mit mir über meine Gefühle und Ängste zu sprechen. Die beiden Spiralen zeigen eine Liste mit häufig gefühlten Emotionen, die von Freude über Freiheit bis hin zur Selbstbestimmung als höchstem Wert und auf der anderen Seite von Langeweile bis hin zu Angst, Trauer, Kraftlosigkeit und Verzweiflung als niedrigstem Wert reichen. Hierbei sortiert man seine aufkommenden Gefühle anhand der beiden Spiral Kategorien ein und kann somit sich proaktiv mit seinen Gedanken positiveren Emotionen zuwenden. Als Gedankenspiel wendet man sich dabei schrittchenweise Stufe für Stufe dem nächst höheren Gefühl zu. Letztendlich gehen dieses Modell und seine Erfinderin sehr stark in die esotherische Richtung. Welches Modell und Philiosophie dahinter steckt, eine Erkenntnis bleibt klar: Man ist immer in der Lage mit seinen Gedanken ein Gefühl auszuwählen, dass sich besser anfühlt, als das letzte.
Mir persönlich hat das Modell einfach dabei geholfen, in den Momenten von Verzweiflung festzustellen, welches Gefühl mich bewegt, um mich dann wiederum anderen Gedanken zuwenden zu können. Dies kann man auch als Dissoziation beschreiben, einer Technik, in der in dem Augenblick eine bewusst vorgenommene Veränderung der Wahrnehmung weg vom vollständigen Erleben hin zu einer „Metaebene“ vorgenommen wird. In der Achtsamkeitsmeditation passiert dies zum Beispiel durch das Labeln von Gedanken. Dabei werden Gedanken, die in der Meditation aufkommen, innerlich kategorisiert.
Ich bin nicht meine Gedanken, Emotionen, Sinneseindrücke und Erfahrungen.
ECKHART TOLLE
Psychoonkologie
In meiner ersten Panik, war mir vor allen Dingen auch als Coach sehr schnell klar, dass ich mich gerne psychotherapeutisch begleiten lassen wollte. Meine Frauenärtzin stellte mir im ersten Gespräch gleich eine Überweisung zu einer Psychotherapeutin aus, die mit in der Gemeinschaftspraxis anssässig war und vereinbarte schnell einen Termin für mich. Manche Brustzentren bieten auch spezialisierte psychoonkologische Beratungen an. So hatte ich zusätzlich im UKE Hamburg am Anfang auch die Möglichkeit eine Beratung parallel zu meinen Voruntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Das hat mir sehr geholfen, für meine Ängste und anfänglichen Panikattacken einen guten Umgang und Ruhe finden zu können.
Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Form der Psychotherapie beziehungsweise der klinischen Psychologie, die sich mit den psychischen, sozialen und sozialrechtlichen Bedingungen, Folgen und Begleiterscheinungen einer Krebserkrankung befasst. Ich habe die Beratung im UKE als sehr ressourcen- und lösungsorientiert erlebt, so dass man nach jeder Sitzung mit kleinen Hilfestellungen nach Hause gehen konnte.
Langfristig wurden mir jedoch auch grundsätzliche Themen und tiefverwurzelte Ängste klar, so dass ich mich für eine klassische Verhaltenstherapie entschied. Jeder wird hier seinen eigenen Weg herausfinden. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, sich jedoch auch für seine Seele und die Verarbeitung der Krankheit Hilfe zu suchen.
Das innere Team
Das Innere Team ist ein Persönlichkeitsmodell des Hamburger Psychologen Friedemann Schulz von Thun. Das menschliche Innenleben wird darin mit der Metapher eines Teams und seines Leiters, dem übergeordneten „Ich“, dargestellt. Das Modell soll bei der Selbstklärung in zwiespältigen Situationen helfen. Auf dieser Webseite wird das Modell auch konkreter erklärt.
Jedes Teammitglied steht stellvertretend für einen inneren Aspekt der gesamten Persönlichkeit und spricht immer im besten Sinne für den Teamchef. Steht ein Mensch vor einer schwierigen Herausforderung, führt er mehr oder weniger bewußt eine innere Teamsitzung durch. Das innere Team kann somit zu einer konkreten Fragestellung mit seinen unterschiedlichen Stimmen befragt werden. Ich habe das innere Team zu meiner Krebserkrankung aufgestellt und konnte mir somit den unterschiedlichen Stimmen bewusst werden. Besonders die lauten, negativen und angsterfüllten Stimmen konnte ich mir gut vor Augen führen und eine Teamkonstellation mit unterstützenden Ressourcen zusammenstellen. Auf diese kann ich verstärkt hören, wenn die Angst zu groß wird. Im Umgang mit der Todesangst, hat es mir geholfen, mir zum einen der negativen krisenorientierten Stimmen bewusst zu werden und zum anderen auch meine Aufmerksamkeit auf meine eigenen stärkenden Ressourcen zu lenken. Das innere Team lässt sich am besten mit einem Coach oder Psychologen durchsprechen, der einen im Gespräch dabei unterstützt zu reflektieren.
Reminder
In einer meiner Psychotherapie Sitzungen habe ich mit meiner Therapeutin darüber gesprochen, dass meine negativen Gedanken oft mit mir durchgehen. Dabei entstand das Bild eines Ponys, dass sich einfach davon galoppiert. Als Reminder habe ich mir daher seitdem ein kleines Pony auf meinen Esstisch gestellt, um mir dessen bewusst zu werden, wie ich mit diesem Pony umgehen möchte. Neben dem Pony stehen in der gesamten Wohnung immer wieder kleine Erinnerungen, dass ich wieder gesund werde. Sei es das Surfboard, das an gegenüber meinem Bett hängt, oder eine selbstgebastelte Karte von meinem Surf Freunden aus Bristol oder Motivationskarten von meiner Familie und Freunden. Glaubenssätze und Denkmuster verändert man nicht von heute auf morgen. Meistens braucht es Übung und Wiederholung, bis sich Gedanken neu formieren können. Daher sind alle Ideen und Hilfsmittel, die einem dabei helfen können, eine wichtige Quelle für neue Perspektiven.